Geschichten sind das älteste Mittel, durch das wir –  Menschen – lernen. Seit wir uns unter freiem Himmel um das Lagerfeuer versammelt haben, erzählen wir Geschichten. Viele von ihnen haben bis heute überlebt, und viele von ihnen haben immer noch einen wichtigen Platz in der Art und Weise, wie wir sind und wie wir mit der Welt um uns herum umgehen. Einfache „Lehren“ aus den Geschichten vergangener Zeiten können uns falsche Vorstellungen von der Welt, vom Leben, von unseren Beziehungen zu anderen, von der Art und Weise, wie wir zusammenarbeiten, davon, wie wir einander oder sogar uns selbst sehen, vermitteln. Als unser Überleben noch davon abhing, hatten Geschichten über Monster, den Buhmann, die alte Hexe oder andere Gestalten, die Kinder im Dunkeln entführten, durchaus ihre Berechtigung. Heutzutage fügen sie den Ängsten, die die Kleinen ohnehin schon haben, nur noch eine weitere Dimension hinzu.

Ganz zu schweigen von dem Klassiker „Mädchen sind Prinzessinnen, die darauf warten, gerettet zu werden“ und Jungen sind „furchtlose Helden, die wegen des S-Worts nicht weinen dürfen...“. Einerseits erklären wir laut und deutlich, dass dies nur Stereotypen sind. Andererseits sind diese die ersten Geschichten, die die meisten Kinder hören. Einerseits fällt es uns leicht zu sagen: „Wenn du nicht brav bist, wird mit dir wie in der Geschichte von ... passieren“, andererseits sind wir überrascht, wenn Kinder Ängste oder Überzeugungen entwickeln, die ihnen nicht dienen. Wir brauchen gute Geschichten, weil sie die ersten indirekten Lektionen sind, die Kinder über die Welt lernen.

Durch die Serie Charlie und Lilly beabsichtigten wir, moderne Geschichten mit wertvollen und relevanten Lektionen zu schaffen, aus denen Kinder Lebenskompetenzen lernen können, die ihnen sowohl jetzt, wenn sie diese lesen, als auch als Erwachsene nützlich sein werden. Wir haben uns dafür entschieden, die Grundsätze der persönlichen Entwicklung durch Geschichten auf unterhaltsame Weise zu vermitteln, ohne langweilige Theorien.

Wir haben viele Bücher gefunden, in denen die Hauptfigur oder die Hauptfiguren der „Auserwählte“ oder die „Auserwählten“ sind. Es sind Geschichten, in denen der Held oder die Heldin, egal wie schwierig die Situation ist, mit einem Zauberstab wedelt, mit den Fingern schnippt, aus dem Nichts eine fantastische Idee hat und ohne jede Anstrengung den Tag rettet. Solche Geschichten, wie auch die meisten Computerspiele, lehren Kindern indirekt, dass sie alles tun können, ohne sich zu bemühen. Oder schlimmer noch, dass sie nichts Nennenswertes erreichen können, weil „sie nicht die Auserwählten sind“ und „so etwas nur im Märchen passiert“.

Das Problem ist nur, dass beides nicht stimmt und dass derartige Geschichten irgendwann sehr langweilig werden können. Kinder können sich selbst die kühnsten Träume erfüllen, wenn sie sich anstrengen, diese in ihrem Leben zu verwirklichen. Nur fehlt in den meisten Geschichten die Anstrengung, die Ausdauer, die Planung, die Hingabe und viele andere Fähigkeiten, die wir für den Erfolg brauchen.

In der Serie über Charlie und Lilly haben wir uns das Gegenteil vorgenommen. Wir wollten Charaktere schaffen, die so realitätsnah wie möglich sind, mit Vor- und Nachteilen, Gefühlen und Erfahrungen, die ihren Anteil an Misserfolgen, aber auch an verdienten Siegen haben. Charlie ist ein gewöhnlicher kleiner Junge, der in ein Abenteuer gestürzt wird, worauf er nicht vorbereitet ist. Im Verlauf lernt er, macht Fehler, fällt hin, steht auf, versucht es erneut, hält durch, hört auf seine Mentoren und testet verschiedene Strategien, bis er seine Mission erfüllt.

Wenn es um Altersgruppen geht und darum, welche Art von Geschichten angemessen sind, gehen die Meinungen tatsächlich auseinander. Ich habe schon 30-seitige Bücher gesehen, die für 10-Jährige (manchmal sogar für 12-Jährige) „geeignet“ waren. Ich habe Bücher gelesen, in denen es keine Geschichte gab, sondern nur eine scheinbar zufällige Aneinanderreihung von Ereignissen ohne „Anfang, Inhalt und Ende“. Was uns an solchen Büchern nicht gefiel, war, dass wir das Gefühl hatten, dass die Kinder dazu verleitet wurden, sich mit wenig zufrieden zu geben. Wir haben auch Meinungen gehört wie „er ist klein, er versteht das nicht“ oder „er hat nicht die Geduld für etwas Gehaltvolleres“. Aber dann wiederum sind wir überrascht, dass junge Menschen ein Computerspiel attraktiver finden oder lieber fernsehen oder YouTube schauen.

In der Buchreihe Charlie und Lilly wollten wir spannende Geschichten schaffen. Die beiden Detektive haben interessante Rätsel zu lösen, Puzzles zusammenzusetzen, herausfordernde Mechanismen zu knacken und erleben Abenteuer, von denen wir hoffen, dass sie die Kleinen an die Buchseiten und nicht an die Bildschirme fesseln werden.

Das S-Wort ist SCHAM. Wir haben vielleicht eine persönliche Abneigung gegen dieses Wort, aber die Realität der Kinderbücher hat uns gründlich erschüttert. In den meisten Büchern stoßen wir unweigerlich auf die eine oder andere Form von „Schämst du dich nicht?“, „Du bist schamlos“ oder „Schäme dich“, „er/sie schämte sich“, „er/sie tat etwas, wofür er/sie sich schämte“, „er/sie wurde rot vor Scham“ und absolut jede Ableitung, die man sich vorstellen kann. Der Rekord für die kürzeste Zeit, bis wir auf das Wort „schämen“ stießen, waren nur drei Seiten in der Vorschau des betreffenden Buches. Wir sagen nicht, dass es kein Schamgefühl gibt. Was wir nicht mögen, ist, wenn es als Mittel eingesetzt wird, um Kinder dazu zu bringen, sich auf eine bestimmte Art und Weise zu verhalten, oder wenn es wie ein Satzzeichen bei jedem „Fehlverhalten“ von Kindern eingesetzt wird. 

Schuld und Scham sind starke Gefühle, mit denen die meisten von uns wahrscheinlich aufgewachsen sind. Es war eine Schande zu laufen, eine Schande, etwas auf den Boden fallen zu lassen, eine Schande, seine Kleidung zu beschmutzen, eine Schande, bestimmte Worte zu sagen, eine Schande, Fragen zu beantworten, eine Schande, seine Meinung zu äußern, eine Schande, um etwas zu bitten, eine Schande, Geschenke anzunehmen, eine Schande, zu gähnen, wenn man müde ist, eine Schande, mit den Menschen um uns herum zu sprechen. Schande über ... alles.

Das Problem ist, dass wir uns daran gewöhnen, uns für immer mehr Dinge zu schämen. Wenn wir erwachsen werden, schämen wir uns leider, eine Präsentation zu halten, wir schämen uns, in der Öffentlichkeit zu sprechen, wir schämen uns, ein Unternehmen zu gründen, weil „was werden x oder y sagen?!“ Wir schämen uns, mit unseren Nachbarn zu sprechen, Freundschaften zu schließen, zu sagen, was wir fühlen, unserem Arzt unsere Symptome mitzuteilen, wir schämen uns, über intime Beziehungen zu sprechen, und wir schämen uns sogar, so zu leben, wie wir leben wollen. Kurz gesagt: Solange Kinder nicht in der Lage sind, vollständig zu verstehen, was Scham ist und wann sie wirklich nützlich für uns ist, halten wir es für besser, sie wegzulassen, zumindest in den Büchern, die sie lieben lernen.

In der Serie Charlie und Lilly wollten wir andere Reaktionen, Emotionen und Verhaltensweisen hervorheben, die das Potenzial haben, Kindern ein viel breiteres Spektrum an Reaktionen auf die Herausforderungen zu vermitteln, mit denen sie im täglichen Leben konfrontiert sind, sowohl jetzt als auch in Zukunft. Außerdem haben wir auch andere Wörter vermieden, die zwar vielleicht unterhaltsam sind, aber zu Einstellungen, Verhaltensweisen oder zu einem Wortschatz führen, mit denen Eltern nicht einverstanden wären.

Die Liste lässt sich fortsetzen. Wir sind sehr leidenschaftlich bei diesem Thema und möchten Kindern neue Geschichten vorstellen, die sie inspirieren, ohne ihnen Angst vor alten Monstern zu machen, ohne sie zum „Lesen“ zu verleiten, nur, weil wir ein paar „coole“ Ausdrücke darüber streuen, und ohne sie zu zwingen, die gleiche Version von „Prinzen und Prinzessinnen“-Geschichten in einer anderen Verpackung zu hören. Deshalb haben wir beschlossen: „Charlie und Lilly – Detektive auf der Suche nach den Schlüsseln zum Potenzial“!

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